Projekt Friedensglocke
In dem Projekt Friedensglocke, von dem wir bereits berichtet haben, war nun endlich der Termin gekommen, an dem die neue Glocke gegossen werden sollte. Auf unsere Einladung hin konnte sich am 3.März 2023 eine kleine Gruppe von Interessierten auf den Weg nach Neunkirchen zur Glockengießerei Bachert machen, um dort den Guss mitzuerleben. Zunächst bekamen wir noch viele Informationen direkt von den Glockengießern, da an diesem Tag drei Glocken gegossen werden sollten. Dafür mussten etwa 300 kg Bronze in einem besonderen Kessel auf etwa 1100 °C erhitzt werden.
Zur Beobachtung des Gusses kam sogar extra fachkundiger Besuch aus Rottenburg: Herr Dr. Schnieders vom Amt für Kirchenmusik, Fachbereich Glockenwesen.
Kurz nach uns traf dann eine Gruppe aus Beimerstetten bei Ulm in der Gießerei ein, deren Leihglocke aus Dombrau, Kreis Teschen, heute Doubrava in Tschechien kommt.
Im Laufe des sich entwickelnden Gespräches stellte sich dann heraus, dass sowohl deren als auch unsere Leihglocke von demselben Glockengießer, nämlich Franz Stanke aus Troppau/Opava in der Mährisch-Schlesischen Region in Tschechien stammt. Die Leihglocke in Hemmingen wurde 1779 und die in Beimerstetten 1783 gegossen. Heute sollte nun bei der Gießerei Bachert für beide Kirchen eine Nachfolgeglocke entstehen.
Die beiden Leihglocken haben aber noch weitere Gemeinsamkeiten: So tragen beide dieselbe Schulterinschrift: „SS IOANNES ET PAVLE MARTYRES ORATE PRO NOBIS“ (Übersetzung: Hll. Märtyrer Johannes und Paulus, bittet für uns.). Des Weiteren findet sich auf beiden Glocken die dieselbe Schlagringinschrift: „PER FRANCISCVM STANKE OPPAVIÆ 1779 bzw.1783“ (Übersetzung: Durch Franz Stanke in Opava 1779 (Hemmingen) bzw. 1783 (Beimerstetten)).
Leihglocke Hemmingen
Leihglocke Beimerstetten
Bildnachweise: Bischöfliches Ordinariat, Rottenburg
Herr Kaminski, von der Diözese Rottenburg/Stuttgart hat folgende Bedeutung der Glockeninschriften und der Zier herausgefunden und wie folgt beschrieben:
„SS: IOANNES ET PAVLE MARTYRES ORATE PRO NOBIS / Heiliger Johannes und Heiliger Paulus, bittet für uns“, ziert zusammen mit einer Darstellung der beiden Märtyrer mit ihren Attributen, hier mit Schild und Schwert, oft auch mit Blitz und Schwert dargestellt, die Glocke. Es handelt sich um Johannes und Paulus, die im ersten Hochgebet angerufen werden: Die Überlieferung berichtet von zwei Diakonen aus der Zeit Kaiser Konstantins in Rom, die den Märtyrertod durch Enthauptung in ihrem Haus – worüber heute die Basilika stehen soll – erlitten haben. Bereits im 5. Jahrhundert wurde dort eine Kirche erreichtet, die heutige Basilika Santi Giovanni e Paolo, die bis heute ein Ziel für Rompilger ist. Der Gedenktag ist am 26. Juni und dieser im ländlich katholischen Raum wichtige Tag, der Wetterherrentag, erklärt das Attribut des Schilds oder Blitzes. Der Volksbrauch verehrt wegen des Gedenktags nahe an der Ernte die beiden Märtyrer (Schwert) vor allem als Fürbitter für günstiges Wetter und Abwehr (Schild) von Unwetter (Blitz). An ihrem Gedenktag werden die schwarzen Wetterkerzen geweiht, die noch vor einigen Jahrzehnten in fast jedem katholischen Haus auf dem Land zu finden waren und während eines Unwetters angezündet werden. Věřňovice – Dolní Lutyně liegt noch heute in einer bäuerlichen Gegend. Sicher ist die Glocke bei Unwetter geläutet worden. Dieses Wetterläuten bittet auf Fürsprache der Heiligen Märtyer Johannes und Paulus beim Herrn der Welt darum, dass die Ernte nicht durch Sturm oder Hagel vernichtet wird.“
Beide Glocken haben jeweils ein Gewicht von etwa 30 kg und besitzen in etwa den selben Klang. Nun ist es geplant, sie beide am selben Wochenende (13. bis 16. Oktober) in ihre ursprüngliche Heimat zurückzuführen. Wahrscheinlich wird sogar die Möglichkeit bestehen, an dieser Rückführung teilzunehmen.
In Hemmingen soll die neue Glocke voraussichtlich am 23.Juli 2023 durch Weihbischof Thomas Maria Renz geweiht und das vom Guss unserer Glocke gemachte Video gezeigt werden.
Abschließend sei nur noch festgestellt, dass es tatsächlich ein ergreifendes und wahrscheinlich einmaliges Erlebnis war, dem Guss der Glocken beiwohnen zu dürfen.
Im Internet gibt es interessante Videos über den Glockenguss bei der Firma Bachert:
HANDWERKSKUNST!
Wie man eine Glocke gießt ∙ SWR-Mediathek
Seit über 400 Jahren hat sich an dieser Handwerkskunst so gut wie nichts verändert.
Die Glockengießerei Bachert gießt seit 1725 Kirchenglocken für bedeutende Kirchen.
Stefan Baumgarth – Stills, Motion & Consulting
Einen ganzen Tag dauerte der Glockenguss für St. Thomas Leipzig am 12. März 2021 in der Glockengießerei Bachert, Neunkirchen. Das historische und tontiefe Geläut der Thomaskirche wird im Zuge der aktuellen Restaurierung in 2021 um vier neue Glocken erweitert.