Leihglocke – Friedensglocke
Überall auf der Welt gibt es unzählige Friedensglocken: Ob vor den Vereinten Nationen in New York oder im Friedenspark in Hiroshima. Nun hat auch die St. Georgs-Kirche in Hemmingen so ein Exemplar.
In einem Festgottesdienst wurde durch die Weihe am vergangen Sonntag aus einer profanen Glocke, die am 3.3.23 in der Glockengießerei Bachert in Neuenkirchen gegossen wurde, ein sakrales Geläut. Die neue Glocke war an einem Gestell in der Mitte des Altarraumes platziert. Direkt daneben lag unsere bisherige Glocke, die seit der Kirchenweihe 1959 die Gläubigen klangvoll über die Jahre zu den Gottesdiensten gerufen hat.
Diese alte Glocke ist eine sogenannte „Leihglocke“. Die Bezeichnung „Leihglocke“ ist heute nur noch wenigen Menschen bekannt. Sie gehörte eigentlich in den Glockenturm der St. Isidor-Kapelle in Vernovice-Dolni Lutyne, dem ehemaligen Willmersdorf. Dort wurde die Glocke 1944 auf Anordnung der Nationalsozialisten nach Hamburg abtransportiert. Rund 100 000 Glocken dienten als Metallressourcen und sollten zu Kanonen eingeschmolzen werden. Nach dem zweiten Weltkrieg hätte sie zurückgegeben werden können, doch der „Kalte Krieg“ war der Grund, dies nicht zu tun. Da die Lagerung und Bewachung zu teuer wurden, kamen die Glocken leihweise in die Kirchengemeinden in Westdeutschland.
67 solcher Leihglocken werden seit 2011 nun sukzessive in ihre ursprünglichen Gemeinden zurückgebracht. Die Diözese kümmert sich um die Ersatzglocken, die mit der Kirchengemeinde zusammen gestaltet werden. Auf unserer Friedensglocke ist ein Relief unseres Sankt Georgs abgebildet, das die Künstlerin Roswitha Zimmerle-Walentin angefertigt hat. Darunter ist der Text „Geleit uns Herr, mit deinem Segen, auf all unseren Wegen.“ zu lesen. Auf dem Schlagring steht: „An meiner Stelle läutete von 1959 bis zu ihrer Rückführung in ihre Heimat eine im Krieg in Willmersdorf abgenommene Glocke von 1779“.
Die Rückseiten aller Friedensglocken sind gleich gestaltet. Auf der ist ein Sternenkranz zusehen und darin steht in verschiedenen Sprachen das Wort „Frieden“. Über dem Kranz begegnen sich zwei (Friedens-)Tauben, die Kontakt knüpfen.
Weihbischof Thomas Maria Renz, der die Weihe vollzog, stellte in seiner Predigt fest: „Da ist etwas schief gelaufen, dass wir geraderücken müssen.“ Er ging auch auf die Tätigkeiten von Glocken ein. Sie sorgen für Tagesstruktur durch ihr Schlagen zu verschiedenen Zeiten. Glocken läuten in manchen Gemeinden am Samstagabend den Sonntag ein, sie rufen zum Gottesdienst oder zur Hochzeit zusammen und die sogenannten Totenglocken verkünden, dass jemand in der Gemeinde verstorben ist.
Glockengeläut ist ein akustischer Appell, uns zum Frieden zu ermutigen. Durch die Aktion „Friedensglocken für Europa“ soll es zu einem vertieften Frieden zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern kommen.
Diese Aufgabe, sich für den Frieden zu engagieren, wurde in einem Gebet während des Weiheritus hervorgehoben.
„Die Stimme unserer Friedensglocke erinnere uns daran, für Gerechtigkeit einzutreten. Ihr Ton mahne uns, die Versöhnung zwischen den Völkern zu fördern. Ihr Ruf stärke uns im Vertrauen auf deinen Heiligen Geist, der Frieden schafft. Ihr Klang wecke in uns die Einsicht und das Verlangen den Frieden immer aufs Neue zu suchen. Ihr Schall sei eine Friedensbotschaft für uns und verbinde uns mit unserer Partnergemeinde St. Isidor in Willmersdorf/Tschechien. Ihr Verklingen sei uns Trost, dass wir einst zu dir kommen, wo der wahre Frieden niemals endet.“ |
Durch die Rückführung der Glocke in die St. Isidor-Kapelle soll es zu Begegnungen zwischen unseren Gläubigen und den tschechischen Glaubensgeschwistern kommen.
Im Anschluss an den Gottesdienst hatte man noch die Gelegenheit einen Kurzfilm über den Guss unserer neuen Glocke anzusehen oder bei einem Imbiss im Gemeindezentrum ins Gespräch zu kommen.
Fotos und Text: Hilde Mühlhauser-Braiger
Impressionen von der Glockenweihe
Fotos: M. Krawczyk